Prolog: Altes Wissen und neue Technologie <

Armselig ist der Schüler, der seinen Lehrer nicht übertrifft

Leonardo da Vinci

Codex Forster III, fol. 66v. Übersetzung: Marianne Schneider

 

 

Das Zeitalter Leonardo da Vincis war von weitreichenden kulturellen Umbrüchen geprägt. Diese betrafen insbesondere auch die Ökonomie des Wissens. Zum einen erhoben humanistische Gelehrte, Wissenschaftler und Künstler das Wissen der Antike zum zentralen Bezugspunkt der zeitgenössischen Wissensökonomie. Mit der technischen Entwicklung des Buchdrucks eröffneten sich andererseits neue Möglichkeiten der geographischen Verbreitung und sozialen Zugänglichkeit von Wissen. Leonardos intellektuelle Entwicklung zu einem der herausragenden Künstler-Wissenschaftler-Ingenieure der Neuzeit ist ohne diese Umbrüche nicht denkbar. Die von den Humanisten systematisch betriebene Suche nach antiken Schriften und deren Edition und Übersetzung bot die Möglichkeit, an den wissenschaftlichen und technischen Stand der Antike anzuknüpfen. Die Technologie des Buchdrucks machte privaten Buchbesitz überhaupt erst erschwinglich und ermöglichte es Leonardo – freilich über Jahre hinweg – seine eigene Bibliothek aufzubauen. Das hierin gespiegelte antike wie zeitgenössische Wissen konnte nun aus der persönlichen Perspektive des Besitzers neu geordnet werden.

Altes Wissen <

14.
Raffaello Sanzio.Die Schule von Athen. ca. 1510–1511

Vor einer monumentalen, antik inspirierten Architekturkulisse lässt Raffael (1483–1520) die Vertreter der antiken Kultur – Philosophen und Naturforscher – auftreten. In Gruppen versammelt oder bewusst isoliert, führen sie die ganze Bandbreite intellektueller Tätigkeiten und diskursiver Praktiken vor, wobei der Dialog im Vordergrund steht. Versuche zur Benennung der einzelnen Gelehrten haben nur in wenigen Fällen zu allgemein anerkannten Identifikationen geführt, darunter links im Vordergrund Pythagoras, dahinter auf den Stufen der argumentierende Sokrates mit seinem Silensprofil, rechts Ptolemäus mit Globus und Krone, davor Euklid (oder Archimedes) bei der Demonstration eines geometrischen Problems, auf den Stufen fläzend der Zyniker Diogenes. Im Zentrum der Komposition stehen als Opponenten Platon (gen Himmel weisend) und Aristoteles (auf die Welt deutend). Dem älteren, weißbärtigen Philosophen soll Raffael die Züge Leonardo da Vincis verliehen haben. Nicht zuletzt sind ihre Bücher und Manuskripte im Fresko prominent ins Bild gesetzt, gehörte es doch zum Ausstattungsprogramm der päpstlichen Privatbibliothek.

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Literaturverweise

    Hall, Marcia B., Hrsg. 1997. Raphaels „School of Athens. Cambridge / New York: Cambridge University Press.

    Most, Glenn W. 1999. Raffael und die Schule von Athen. Über das Lesen der Bilder. Frankfurt a. M.: Fischer.

    Oberhuber, Konrad. 1999. Raffael. Das malerische Werk. München u.a.: Prestel, 85–109.

    Winner, Matthias. 1993. „Stufen zur Erkenntnis in Raffaels ‚Schule von Athen‘“. Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, 56–60.