Wissensexplosion

Nach der Zukunft strebt der Bücher Turm

Flügelschläge gegen feste Mauern

Ein Wort noch, ein Gedankenstrich!

 

Zähes Staunen im Wirbel der Blätter

Das Auge befreit, Gedanken erschüttert

Der Fesseln entbunden, den Händen entglitten

 

Im Flug gefangen, lässt sich’s verdauern?

Wissen in Gefäßen ist erschütterlich.

Zerrissenheit – Gedankensturm.

 

Dem Blick des Vogels ein Thron geboten!

Lässt sich’s vernehmen, Chimäre des Geistes?

Tentakel der Zeiten werden es zeichnen

 

 

 

Leonardo da Vinci war weder nur Künstler noch allein Wissenschaftler. Er verband beides zu einer Einheit in seinen Beobachtungen und Werken, angetrieben von einer unendlichen Neugierde. Als Bühnenmensch ist Leonardo weniger bekannt. Dabei kommt genau seine Tätigkeit als Szenograph seinem Wesen vielleicht am nächsten. Denn das Theatrale, in dem sich Grenzen zwischen dem Fiktiven und dem Realen verwischen, durchdringt sein ganzes Werk. Auch Wissen entsteht aus solchen Grenzverschiebungen, sowie aus einer Verbindung von Neuentdeckung und dem Verweben von bereits bekannten Elementen. Dies trifft genauso auf das Wesen von Szenographie zu, deren Aufgabe darin liegt, Spannungen zwischen einzelnen Elementen zu erzeugen.

Leonardos Bibliothek als Gattungshöhle und Spiegelkabinett: Der einrahmende, kreisförmige Korridor aus Gläsern definiert das von Serge von Arx gestaltete Raumgefüge der Ausstellung. Optisch hingegen wirkt er wie ein Labyrinth. Die einzelnen Glasscheiben sind schuppenartig in ein Stahlskelett gehängt und betonen die Zerbrechlichkeit des Wissens. Einige von ihnen dienen gleichzeitig als Vitrinen für Exponate, als Gesamtheit betonen sie die Transparenz und Spiegelung von erkenntnisrelevanten Bruchstücken. Die Scheiben bestehen zum Teil aus dichroitischem Glas, das einen Teil des Lichtspektrums reflektiert und den anderen durchscheinen lässt: Wahrnehmung ist selektiv. Die einzelnen Themenbereiche der Ausstellung werden jeweils im Glas-Korridor vorgestellt, mit gleichzeitiger Durchsicht auf den Außenraum und die Bereiche außerhalb des gläsernen Kreises, in denen das Leben Leonardos und seine Zeit dargestellt werden. Vom Korridor aus eröffnen sich Zugänge zum inneren Bereich der Bibliothek sowie zum Außenraum. Im Zentrum steht die Klangskulptur «Wissensexplosion» mit den vom Geiststurm aufgewirbelten Manuskripten Leonardos.

Serge von Arx und Jürgen Renn

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