Herausforderungen der Technik <

Die Mechanik ist das Paradies der mathematischen Wissenschaften, denn durch sie gelangt man zur Frucht der Mathematik

Leonardo da Vinci

 Paris Ms. E, fol. 8v. Übersetzung: Jürgen Renn

 

 

Bereits als Schüler in der Werkstatt des vielseitigen Andrea del Verrocchio, einem Experten für unterschiedliche künstlerische Techniken und Materialien, konnte Leonardo sein technisches Verständnis und Wissen entwickeln. So bewunderte er die Maschinen Filippo Brunelleschis, die dieser für den Bau der Florentiner Domkuppel entwickelt hatte. (Aus der Verrocchio-Werkstatt stammte die kupferne Bekrönung der Kuppellaterne, auf die sich Leonardo später in seinen Schriften bezog). Mit dem Umzug nach Mailand, wo sich Leonardo 1482 vor allem als Militäringenieur erfolgreich um eine dauerhafte Stellung am Hof der Sforza beworben hatte, vertiefte er sein technisches Wissen auf vielen Gebieten. Seine Entwicklung zu einem Prototyp des Künstler-Ingenieurs erfolgte als ehrgeiziger Autodidakt durch das Studium der zeitgenössischen technischen Fachliteratur. Orientierung und Vorbild waren ihm hierbei die beiden aus Siena stammenden Mariano di Jacopo Taccola (1382–1458) und Francesco di Giorgio Martini (1439–1501), letzterer wie Leonardo ein im Hofdienst stehender vielseitiger Künstler-Ingenieur. Grundlegend für die Entwicklung seiner technischen Interessen war jedoch zunächst das umfassende Werk Roberto Valturios (1405–1475), das ebenfalls zu Leonardos Bibliothek gehörte. Leonardos vielseitige Interessen, seine Experimentierfreude und Imaginationskraft, nicht zuletzt jedoch seine herausragenden Fähigkeiten als Zeichner erlaubten es ihm bald, seine Vorbilder zu übertreffen und eröffneten bis dahin ungekannte Möglichkeiten in der Visualisierung technischer Zusammenhänge.

Leonardos Berliner Bibliothek – 7. Abteilung <

63.
Valturius, Robertus. De re militari. Verona: Boninus de Boninis. 1483

De re militari des Humanisten Roberto Valturio (1405–1475) aus Rimini ist eine Abhandlung über die Kriegskunst, die hauptsächlich auf den Schriften antiker Autoren basiert. Die zahlreichen Holzschnittillustrationen von Waffen und Kriegsmaschinen dienten Leonardo als Inspiration für seine eigenen, jedoch weit präziseren Ingenieurszeichnungen (113 ), außerdem nutzte er den Text für die Erstellung von Wortlisten im Codex Trivulzianus (108 ). Die aufgeschlagene Doppelseite zeigt eine arabische Belagerungsmaschine – offenbar aus Korbgeflecht und in furchterregender Drachenform, die sowohl eine Besatzung als auch militärisches Gerät wie Brücken, Leitern und Geschütze aufnimmt, sowie auf der rechten Seite zwei Vorrichtungen zum Ableiten von Wasser aus (Festungs-)Gräben.

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Literaturverweise

    Bambach, Carmen C. 2019. Leonardo da Vinci Rediscovered. Bd. 2: The Maturing of a Genius, 1485–1506. 4 Bde. New Haven / London: Yale University Press, 134–178.

    McLean, Bobby Eon. 2019. In Leonardos Library. The World of a Renaissance Reader, herausgegeben von Paula Findlen. Stanford, CA: Stanford Libraries, 171 f., Kat. 41.

    Valturio, Roberto. 2006. De re militari. Umanesimo e arte della guerra tra Medioevo e Rinascimento. Herausgegeben von Paola Delbianco. Rimini: Guaraldi.

    Vecce, Carlo, Hrsg. 2019. Leonardo and His Books. The Library of the Universal Genius. Ausstellungskatalog Museo Galileo, Florenz, 6.6.–22.9.2019. Florenz: Giunti, 93, Kat. 6.1, 6.2.