Die Mobilität des Wissens <

Die Weisheit ist die Tochter der Erfahrung

Leonardo da Vinci

Codex Forster III, fol. 14r. Übersetzung: Jürgen Renn

 

 

Das Wissen, das Leonardo in seiner persönlichen Bibliothek versammelte, ist ein kollektives Wissen. Es beruht einerseits auf einer langen, bis auf die Antike zurückgehenden Tradition – andererseits auch auf der zunehmenden Mobilität der Menschen in Europa und ihres Wissens seit dem späten Mittelalter. Überseeschifffahrt und Buchdruck sorgten nochmals für eine große Beschleunigung der Wissenszirkulation. Kaufleute reisten auf den großen Handelsrouten und unterhielten Filialen in wichtigen städtischen Zentren, Teilnehmer der Kreuzzüge brachten Wissen vor allem aus dem arabischen Raum nach Europa, internationale Gelehrte und Studenten tauschten sich dank der lateinischen Universalsprache an den Universitäten aus, Künstler und Baumeister reisten auf der Suche nach lukrativen Aufträgen und neuesten künstlerischen Entwicklungen quer durch Europa und darüber hinaus. Entdeckungsreisende unternahmen gewagte Expeditionen in bisher unbekannte Erdteile und brachten neues Wissen zurück, während Kolonisatoren in ihrem Gefolge sich der neu entdeckten Gebiete bemächtigten – mit katastrophalen Konsequenzen für deren Bewohner. In Form von Berichten, Erzählungen, in der immer exakteren Konstruktion von geographischen Karten und in neuen wissenschaftlichen Abhandlungen wurde das neue Wissen niedergelegt und veröffentlicht. Die Folge war eine ständige Erweiterung und Veränderung des Weltbildes, das die Welt zugleich immer verfügbarer und beherrschbarer erschienen ließ. Auch in Leonardos Bibliothek wuchs der Anteil dieses neuen Wissens über die Jahre immer weiter an.

Welt in Bewegung <

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Leonardo da Vinci. Lindholmer Quadrant. ca. 1600

Ein Quadrant (von lat. quadrans = Viertelkreis)) ist ein astronomisches Instrument, mit dem sich relativ einfach die Höhe von Gestirnen über dem Horizont bestimmen lässt. Bei dem vorliegenden Pendelquadranten werden diese mithilfe eines Loch- und eines Peildiopters auf dem oberen Schenkel angepeilt, die Ablesung der Winkelhöhe erfolgt über einen Lotfaden, der vor dem skalierten Gradbogen spielt. Für eine größere Genauigkeit sorgt zusätzlich ein Schattenquadrat mit Skalierung. Der Wert der unteren Skala dividiert durch Gesamtlänge der stehenden (oberen) Skala ergibt den Tangens des gemessenen Winkels. Wie Leonardo war auch der Erbauer dieses Quadranten kein professioneller Astronom: Der nordfriesische Pastor Albert Meyer (1528–1603) wollte das Instrument bei einer geplanten (freilich nie durchgeführten) Grönlandexpedition zum Einsatz bringen. Nach seinem Tod diente es in der Kirche von Lindholm als Huthalter, bis es schließlich 1955 vom Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum angekauft wurde.

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Literaturverweise

    Lühning, Felix. 1997. „Der Lindholmer Quadrant. Ein astronomisches Meßinstrument aus der Zeit Tycho Brahes“. Nordelbingen. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins 66: 49–78.