Prolog: Altes Wissen und neue Technologie <

Armselig ist der Schüler, der seinen Lehrer nicht übertrifft

Leonardo da Vinci

Codex Forster III, fol. 66v. Übersetzung: Marianne Schneider

 

 

Das Zeitalter Leonardo da Vincis war von weitreichenden kulturellen Umbrüchen geprägt. Diese betrafen insbesondere auch die Ökonomie des Wissens. Zum einen erhoben humanistische Gelehrte, Wissenschaftler und Künstler das Wissen der Antike zum zentralen Bezugspunkt der zeitgenössischen Wissensökonomie. Mit der technischen Entwicklung des Buchdrucks eröffneten sich andererseits neue Möglichkeiten der geographischen Verbreitung und sozialen Zugänglichkeit von Wissen. Leonardos intellektuelle Entwicklung zu einem der herausragenden Künstler-Wissenschaftler-Ingenieure der Neuzeit ist ohne diese Umbrüche nicht denkbar. Die von den Humanisten systematisch betriebene Suche nach antiken Schriften und deren Edition und Übersetzung bot die Möglichkeit, an den wissenschaftlichen und technischen Stand der Antike anzuknüpfen. Die Technologie des Buchdrucks machte privaten Buchbesitz überhaupt erst erschwinglich und ermöglichte es Leonardo – freilich über Jahre hinweg – seine eigene Bibliothek aufzubauen. Das hierin gespiegelte antike wie zeitgenössische Wissen konnte nun aus der persönlichen Perspektive des Besitzers neu geordnet werden.

Leonardos Berliner Bibliothek – 1. Abteilung <

10.
Heron von Alexandrien. Liber geoponicus. 16. Jh.

Heron von Alexandrien (ca. 10 n. Chr.–ca. 70 n. Chr.) verfasste zahlreiche Schriften zur Mathematik und zur Pneumatik, Hydraulik und Mechanik (v.a. Hebevorrichtungen). Viele seiner Maschinen waren für das Theater bestimmt (Automaten, Windorgeln, Donnermaschinen etc.) und dienten der Verblüffung des Publikums – andere hatten durchaus einen breiteren Nutzen wie Wasserpumpen oder ein pipettenartiges Instrument. Zwar wird Heron in Leonardos Bücherlisten nicht erwähnt, doch ist sein Beitrag zur Entwicklung der frühneuzeitlichen Mechanik nicht zu unterschätzen. Sein Prinzip der Zerlegung von mechanischen Geräten und ihre Zurückführung auf einfache, vom Hebelgesetz bestimmte Funktionen machte die Funktionsanalyse jeder noch so komplexen Maschine durch nachfolgende Autoren überhaupt erst möglich.

Bei der hier gezeigten Handschrift des Liber Geoponicus handelt es sich um eine Kompilation von verschiedenen Abhandlungen zum Thema der Landvermessung im griechischen Original.

DaV-210318-Grundriss-alle-markierten-Objekte-overlay
10

Literaturverweise

    Damerow, Peter, und Jürgen Renn. 2010. „The Transformation of Ancient Mechanics into a Mechanistic World View“. In Transformation antiker Wissenschaften, herausgegeben von Georg Toepfer und Hartmut Böhme. Berlin u.a.: De Gruyter, 243–267.