Prolog: Altes Wissen und neue Technologie <

Armselig ist der Schüler, der seinen Lehrer nicht übertrifft

Leonardo da Vinci

Codex Forster III, fol. 66v. Übersetzung: Marianne Schneider

 

 

Das Zeitalter Leonardo da Vincis war von weitreichenden kulturellen Umbrüchen geprägt. Diese betrafen insbesondere auch die Ökonomie des Wissens. Zum einen erhoben humanistische Gelehrte, Wissenschaftler und Künstler das Wissen der Antike zum zentralen Bezugspunkt der zeitgenössischen Wissensökonomie. Mit der technischen Entwicklung des Buchdrucks eröffneten sich andererseits neue Möglichkeiten der geographischen Verbreitung und sozialen Zugänglichkeit von Wissen. Leonardos intellektuelle Entwicklung zu einem der herausragenden Künstler-Wissenschaftler-Ingenieure der Neuzeit ist ohne diese Umbrüche nicht denkbar. Die von den Humanisten systematisch betriebene Suche nach antiken Schriften und deren Edition und Übersetzung bot die Möglichkeit, an den wissenschaftlichen und technischen Stand der Antike anzuknüpfen. Die Technologie des Buchdrucks machte privaten Buchbesitz überhaupt erst erschwinglich und ermöglichte es Leonardo – freilich über Jahre hinweg – seine eigene Bibliothek aufzubauen. Das hierin gespiegelte antike wie zeitgenössische Wissen konnte nun aus der persönlichen Perspektive des Besitzers neu geordnet werden.

Leonardos Berliner Bibliothek – 1. Abteilung <

11.
Aesop und Francesco del Tuppo. Aesopus moralisatus. Neapel: Francesco del Tuppo, 1485

Die moralisierenden Tiergeschichten des legendären griechischen Autors Aesop zählten offenbar zu Leonardos Lieblingslektüre. Er besaß von den Fabeln sogar mehrere Exemplare. Eine der schönsten Aesop-Ausgaben wurde in Neapel von Francesco del Tuppo herausgegeben. Sie verdeutlicht den in kürzester Zeit erreichten hohen Standard der Buchdruckerkunst in Italien. Der Text besteht aus der abenteuerlichen Vita Aesops, gefolgt von den eigentlichen Fabeln in der lateinischen Versversion und der jeweiligen italienischen Prosaübertragung (Apologus) von del Tuppo sowie dessen allegorisch-moralischen Erläuterungen. Zur Ausstattung gehören weiterhin mehr als 80 hervorragende Holzschnitte, wie der hier gezeigte zur Fabel von Fuchs und Adler: aus Rache für den Raub ihrer Welpen zündet die Füchsin dem Adler das Nest an. Ähnliche Fabeln hat Leonardo auch selbst verfasst (48 ).

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Literaturverweise

    Vecce, Carlo, Hrsg. 2019. Leonardo and His Books. The Library of the Universal Genius. Ausstellungskatalog Museo Galileo, Florenz, 6.6.–22.9.2019. Florenz: Giunti, 96, Kat. 6.8.