Von Natur aus sind alle guten Menschen wissensdurstig
Leonardo da Vinci
Codex Atlanticus, fol. 327v. Übersetzung: Marianne Schneider
Im 15. Jahrhundert suchten Gelehrte in ganz Europa vor allem jedoch in Italien das Wissen und die Kenntnis antiker griechischer und römischer Autoren auf eine neue Stufe zu heben. Ziel dieser Humanisten war die systematische Sammlung von Textquellen aus unterschiedlichsten Wissensbereichen sowie deren Erschließung durch Kommentare, Übersetzungen und bald auch durch gedruckte Editionen. Enzyklopädien wie die des Philologen und Mathematikers Giorgio Valla (um 1447–1499) machten die vordem seltenen handschriftlichen Traktate allgemein verfügbar.
Florenz war das erste Zentrum dieser Bewegung, die man als Wiedergeburt (ital. Rinascita oder Rinascimento, frz. Renaissance) der antiken Kultur feierte. Das antike Ideal durchdrang und inspirierte bald alle kulturellen Bereiche, von der Literatur über die Architektur bis hin zu den Bildkünsten. Daneben versprach das Studium der antiken Überlieferung auch Ressourcen für die Lösung technischer und wissenschaftlicher Probleme und Aufgaben der Gegenwart. Antike Naturforscher wie die griechischen Mathematiker Archimedes (ca. 287–212 v. Chr.), Ptolemäus (ca. 100–160 n. Chr.) und Euklid (ca. 300 v. Chr.) waren wichtige Autoritäten, ihre überlieferten Werke bildeten einen festen Kanon. Zugleich waren ihre Leistungen auch Ansporn für eigene Forschungen und weitergehende Beobachtungen.
Ein weiteres, in seiner Wirkung kaum zu überschätzendes kanonisches Werk bildeten die Zehn Bücher zur Architektur des römischen Baumeisters und Ingenieurs Vitruv (ca. 70 v. Chr.–ca. 15 n. Chr.), von dem selbstverständlich auch Leonardo da Vinci eine Ausgabe besaß.
Ein zeitgenössisches Gegenstück stellen die Schriften des Philologen, Baumeisters und Kunsttheoretikers Leon Battista Alberti (1404–1472) dar. Seine architektonischen Entwürfe, etwa für die Fassade von Santa Maria Novella in Florenz, gelten als Inkunabeln der Renaissance-Architektur, seine Schriften zu den Gattungen Architektur, Malerei und Skulptur fixierten erstmals die theoretischen Grundlagen der neuen Gestaltungsformen. Der Humanist Alberti galt seinen Zeitgenossen als Musterbeispiel universaler Bildung. Auch Leonardo war er ein Vorbild, nicht zuletzt für dessen eigene theoretische Schriften zur Malerei.
Ein weiteres, in seiner Wirkung kaum zu überschätzendes kanonisches Werk bildeten die Zehn Bücher zur Architektur des römischen Baumeisters und Ingenieurs Vitruv (ca. 70 v. Chr–ca. 15 n. Chr.), von dem selbstverständlich auch Leonardo da Vinci eine Ausgabe besaß.
Ein zeitgenössisches Gegenstück stellen die Schriften des Philologen, Baumeisters und Kunsttheoretikers Leon Battista Alberti (1404–1472) dar. Seine architektonischen Entwürfe, etwa für die Fassade von Santa Maria Novella in Florenz, gelten als Inkunabeln der Renaissance-Architektur, seine Schriften zu den Gattungen Architektur, Malerei und Skulptur fixierten erstmals die theoretischen Grundlagen der neuen Gestaltungsformen. Der Humanist Alberti galt seinen Zeitgenossen als Musterbeispiel universaler Bildung. Auch Leonardo war er ein Vorbild, nicht zuletzt für dessen eigene theoretische Schriften zur Malerei.
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Diese Sammelhandschrift aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts enthält sowohl die (nicht ganz vollständige) Vita und die Fabeln des Aesop in einer lateinischen Prosafassung, darunter die Fabel vom Fuchs und dem Adler (11 ■) sowie – ebenfalls nicht ganz vollständig – die Apologi centum, die ursprünglich einhundert Texte umfassende Fabelsammlung des Leon Battista Alberti. In einer Zeit, als der „originale“ griechische Aesop wiederentdeckt und übersetzt wurde, erneuerte der italienische Humanist die antike Gattung, indem er sie von ihrem vorwiegend didaktischen Schulgebrauch befreite und zur kunstvollen Literaturform für gebildete Erwachsene erhob. Seine einhundert Apologi – laut eigenen Angaben verfasst im Dezember 1437 in nur neun Tagen – zeichnen sich durch hohe stilistische Eleganz des Lateinischen und geradezu programmatische Kürze aus. Leonardo verfasste, angeregt durch Albertis Apologi, rund 50 eigene, ähnlich pointierte Fabeln – allerdings in seiner italienischen Muttersprache (48 ▲).
Alberti, Leon Battista, Bartholomaeus Scala, Leonardo da Vinci, und Bernardino Baldi. 2004. Renaissance Fables. Aesopic Prose by Leon Battista Alberti, Bartolomeo Scala, Leonardo da Vinci, Bernardino Baldi. Translated with an Introduction and Notes by David Marsh. Herausgegeben von David Marsh. Medieval and Renaissance texts and studies 260. Tempe, Ariz.: Arizona Center for Medieval and Renaissance Studies.
Korenjak, Martin. 2008. „Eine alte Gattung neu erfunden. Die Apologi centum des Leon Battista Alberti“. Philologus 152 (2): 320–342.
Marsh, David. 2000. „Alberti, Scala, and Ficino. Aesop in Quattrocento Florence“. Albertiana, Nr. 3: 105–118.
Pillola, Maria Pasqualina, Hrsg. 1993. Rinucius Aretinus. Fabulae Aesopicae. Pubblicazioni del D.AR.FI.CL.ET. N.S., v. 151. Genua: Dipartimento di Archeologia, Filologia classica e loro tradizioni.