Die Mobilität des Wissens <

Die Weisheit ist die Tochter der Erfahrung

Leonardo da Vinci

Codex Forster III, fol. 14r. Übersetzung: Jürgen Renn

 

 

Das Wissen, das Leonardo in seiner persönlichen Bibliothek versammelte, ist ein kollektives Wissen. Es beruht einerseits auf einer langen, bis auf die Antike zurückgehenden Tradition – andererseits auch auf der zunehmenden Mobilität der Menschen in Europa und ihres Wissens seit dem späten Mittelalter. Überseeschifffahrt und Buchdruck sorgten nochmals für eine große Beschleunigung der Wissenszirkulation. Kaufleute reisten auf den großen Handelsrouten und unterhielten Filialen in wichtigen städtischen Zentren, Teilnehmer der Kreuzzüge brachten Wissen vor allem aus dem arabischen Raum nach Europa, internationale Gelehrte und Studenten tauschten sich dank der lateinischen Universalsprache an den Universitäten aus, Künstler und Baumeister reisten auf der Suche nach lukrativen Aufträgen und neuesten künstlerischen Entwicklungen quer durch Europa und darüber hinaus. Entdeckungsreisende unternahmen gewagte Expeditionen in bisher unbekannte Erdteile und brachten neues Wissen zurück, während Kolonisatoren in ihrem Gefolge sich der neu entdeckten Gebiete bemächtigten – mit katastrophalen Konsequenzen für deren Bewohner. In Form von Berichten, Erzählungen, in der immer exakteren Konstruktion von geographischen Karten und in neuen wissenschaftlichen Abhandlungen wurde das neue Wissen niedergelegt und veröffentlicht. Die Folge war eine ständige Erweiterung und Veränderung des Weltbildes, das die Welt zugleich immer verfügbarer und beherrschbarer erschienen ließ. Auch in Leonardos Bibliothek wuchs der Anteil dieses neuen Wissens über die Jahre immer weiter an.

Welt in Bewegung <

102.
Martin Waldseemüller. Universalis cosmographia secundum Ptholemaei traditionem et Americi Vespucii alioru[m]que lustrationes. 1507

Die nach ihrem Verfasser, dem aus Freiburg stammenden und im lothringischen Saint-Dié tätigen Kartographen Martin Waldseemüller (ca. 1472/75–1520) benannte Waldseemüller-Karte wird auch gerne als „Geburtsurkunde“ Amerikas bezeichnet. Es ist die erste Weltkarte, welche die neuentdeckte Landmasse im Westen als eigenen Kontinent darstellt und diesen als „America“ bezeichnet. Namensgeber war der Florentiner Seefahrer Amerigo Vespucci (1454–1512) (104 ), von dessen Reisebericht Mundus Novus (1502) Waldseemüller besonders beeindruckt war. Im Kopf der Karte flankiert ein Porträt Vespuccis eine Miniaturdarstellung der Neuen Welt, während der antike Kosmograph Ptolemäus gleichsam als Patron der Alten Welt fungiert. Die aus zwölf Einzelblättern zusammengesetzte Karte ist das einzige erhaltene von ursprünglich rund 1.000 Exemplaren. Daneben existieren eine Begleitschrift zur Weltkarte sowie eine Globussegmentkarte, von der heute kaum eine Handvoll Exemplare bekannt sind.

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Literaturverweise

    Lehmann, Martin. 2010. Die „Cosmographiae Introductio. Matthias Ringmanns und die Weltkarte Martin Waldseemüllers aus dem Jahre 1507. Ein Meilenstein frühneuzeitlicher Kartographie. München: Meidenbauer.

    Lester, Toby. 2010. Der vierte Kontinent. Wie eine Karte die Welt veränderte. Berlin: Berlin-Verlag.